Das Häkel ich doch mit Links! (vom Leben und Handarbeiten in die andere Richtung)

 

Hast du schon mal ein Werkzeug in die Hand genommen und musstest dann feststellen, dass da die Knöpfe irgendwie an der falschen Stelle sind?

Musstest du schon mal Verrenkungen machen, um eine Unterschrift oder ein Kreuzchen in der Wahlzelle zu leisten, weil die Person, die den Kugelschreiber angebunden hat (in Vor-Pandemiezeiten natürlich) nicht an dich gedacht hat?

Hat dich schon mal jemand beim Schreiben beobachtet und dann den sicher nett gemeinten Kommentar abgeben “also ich könnte das nicht”?

Oder hast du schon mal ein Videotutorial gespiegelt, damit auch du verstehst, was da genau zu tun ist?

Wenn du diese oder ähnliche Situationen kennst, bist du vermutlich auch Linkshänder*in.

Willkommen im Club.

Viele - aber bei weitem nicht alle - Linkshänder*innen häkeln auch mit der linken Hand.

Unser Leben ist manchmal gefährlich und wird sind manchmal genervt von unnötigen Steinen, die uns in den Weg gelegt werden. Es ist nicht besser oder schlechter, sondern einfach nur…

in die andere Richtung.

In bester Gesellschaft

Ich bin also Linkshänderin. So wie etwa 10 % der Weltbevölkerung.

Und damit in bester Gesellschaft, denn auch Barack Obama, Queen Elizabeth II und Sarah Jessica Parker (die aus Sex and the City) und viele andere berühmte und kreative Menschen schreiben mit der linken Hand.

In meinem persönlichen Umfeld gab es bisher tatsächlich noch nicht viele andere Linkshänder*innen. Das mag auch daran liegen, dass noch in meiner Elterngeneration viele Kinder beim Schreiben lernen auf die “schöne” rechte Hand wechseln mussten. Das kann - wie man heute weiß - zu verschiedenen Problemen von Lernschwierigkeiten bis Sprachstörungen führen (mehr dazu kannst du zum Beispiel bei lefthander-consulting.org oder linkerhand.de nachlesen).

Um so mehr freut es mich immer, Menschen beim Schreiben zu sehen und dann plötzlich zu merken, dass ich einen Linkshänder oder eine Linkshänderin vor mir habe.

Leben mit Links

Linkshändigkeit sorgt im Alltag immer wieder für Verwunderung und den oben schon erwähnten Satz “also ich könnte das nicht”.

Klar, ich kann ja auch nicht mit der rechten Hand schreiben.

Als Kind war ich eher unglücklich, so aus der Masse herauszustechen und oft eine Extrawurst zu brauchen. So habe ich mir schnell antrainiert, mit Rechtshänderscheren zu schneiden (wenn du hier übrigens den Ausdruck “normale” Scheren benutzt hättest, lade ich dich ein, mal darüber nachzudenken). Ich weiß bis heute, dass meine Handarbeitslehrerin in der Unterstufe leicht genervt war, dass sie uns (in dieser Klasse gab es tatsächlich drei Linkshänderinnen) das Stricken nochmal extra zeigen musste.

Die Welt in der wir heute leben wurde von Rechtshändern für Rechtshänder entworfen.

Redewendungen wie “gib die schöne Hand” oder “der hat zwei linke Hände” sind nach wie vor in unserer Sprache verankert und Bankfilialen binden immer noch ihre Kugelschreiber an der rechten Seite des Tresens an. Es gibt immer noch Schöpfkellen, die einen Schnabel an der linken Seite haben und da reden wir noch gar nicht von Menschen, die mit Maschinen oder Werkzeug arbeiten, das für Rechtshänder gebaut wurde. Da kann es dann richtig gefährlich werden, wenn etwa der Not-Aus-Knopf nur mit der rechten Hand leicht zu bedienen ist.

Im kleinen kämpfe ich für diese Veränderung. Bei meinen eigenen Kindern (hier ist die Verteilung links/rechts 50/50) habe ich von Beginn an darauf geachtet und auch die anderen Bezugspersonen darauf hingewiesen, dass wir ihnen Dinge immer erst mittig anbieten. Also den Stift oder den Löffel erstmal zur Körpermitte hingeben. Jedes Kind wird dann selbst wissen, mit welcher Hand es zugreift. Auch nachdem klar ist, wer welche Hand bevorzugt, stehen wir regelmäßig vor spannenden Herausforderungen. Wir haben festgestellt, dass ich Maschen anders binde als mein (rechtshändiger) Mann, die Besteckschublade anders herum einräume und meinen Arbeitsplatz anders herum sortiere (ich brauche ja links den Platz zum Schreiben und würde das Telefon im Büro, könnte ich es mir aussuchen, auf die rechte Seite stellen). In der Wahlzelle binde ich die Stifte in der Mitte an (auch hier: Vor-Pandemie, inzwischen hat hoffentlich jeder einen eigenen Stift mit oder wählt mit Briefwahl) und weise im Geschäft darauf hin, wenn etwas für Linkshänder unnötig schwer zu benutzen ist.

Ja, es gibt Menschen, die weit größere Probleme haben als in welche Richtung man den Stift in einem Spitzer drehen muss, aber trotzdem wünsche ich mir, dass Linkshänder*innen im täglichen Leben ein bisschen mehr mitgedacht werden.

Handarbeiten mit Links

Was hat das alles jetzt aber mit dem Häkeln zu tun?

Nun, zuerstmal habe ich persönlich zur Häkel- statt zur Stricknadel gegriffen, weil mir das Hantieren mit zwei Nadeln zu komliziert war und meine Strickstücke irgendwie immer verkehrt aussahen. Hätte ich damals schon Blogs wie den von Sandra von sandraslieblingszeug.de gekannt, wäre ich vielleicht bei den Strickerinnen gelandet.

Da ich als Linkshänderin auch mit der linken Hand häkel, hat es erstmal ein bisschen gedauert, bis ich verstanden habe, wie ich Anleitungen anpassen muss, damit sie mit links funktionieren (du häkelst bei Projekten in Reihen im Grunde von hinten, da du nicht von links unten nach rechts oben, sondern von rechts unten nach links oben arbeitest).

Und dann stand da die große Frage im Raum: Wenn ich jetzt selber Häkelanleitungen schreibe. Versteht das dann wer? (Die Antwort ist übringens ja, es hat sich tatsächlich noch niemand beschwert).

Seit Mai 2017 schreibe ich also Häkelanleitungen. Mein Anspruch ist es, dass die Anleitungen in alle Richtungen funktionieren. Dabei hilft es, schon beim ersten Entwurf beide Möglichkeiten mitzudenken.

In der Praxis habe ich dann meine perfekte Nische gefunden.

Amigurumi.

Die werden nämlich in Runden gehäkelt, beginnen mit einem Kreis in der Mitte und bestehen fast ausschließlich aus festen Maschen. Da ist es schlichtweg egal, mit welcher Hand du häkelst.

Linkshänder*innen machen genau die gleichen Maschen, nur eben in die andere Richtung.

Bist du auch Linkshänder*in und mit welcher Hand häkelst du?

Hast du vielleicht ein anderes kreatives Hobby, das für Linkshänder*innen besondere Herausforderungen bereit hält? Was sind deine lustigsten, nervigsten oder schrägsten Erlebnisse?

Ich freu mich auf deinen Kommentar.