Hellrosa, dünn und normschön - wie diskriminierend ist die Häkelcommunity? (ein Rant)

Es gibt da ein Thema, das mich immer mal wieder beschäftigt.

Schon vor einigen Wochen juckte es mich in den Fingern, doch dann war der Ärger verraucht und es schien mir doch nicht so schlimm.

Wie es im Leben so ist, bin ich dann diese Woche aber wieder über einen ähnlichen Beitrag gestolpert.

Und jetzt musste es raus.

Was war passiert?

Ein kurzer Besuch in einer großen Facebook Gruppe für Häkelfreund:innen.

Eine Teilnehmerin will offenbar eine Puppe häkeln und fragt, welche Farbnummern der bekannten Wollmarken sich denn für „Hautfarbe“ eignen würden.

So weit so (auf den ersten Blick) belanglos.

Doch wie selbstverständlich die anderen Mitglieder Bilder und Farbnummern für hellrosa teilten und bei zahlreichen Kommentaren genau eine andere Häklerin auf den Gedanken gekommen ist, dass das wohl darauf ankommt, welcher Hautton es eben sein soll (das war übrigens auch keine Antwort) lässt mich gleich wieder rot anlaufen, wenn ich jetzt darüber nachdenke.

Denn auch du hast dir beim Lesen vielleicht gedacht: Moment. Hautfarbe ist automatisch hellrosa?

Da fehlen aber doch noch ein paar Schattierungen!

Die Handarbeitscommunity feiert sich gerne als super inklusiv. Alle sind willkommen und unterstützen sich gegenseitig.

Aber offenbar sind alle nur die, die hellrosa sind.

Und dabei hört es noch lange nicht auf.

Buntstifte in 7 verschiedenen Hauttönen

Erlaubt ist, was gefällt - aber wem eigentlich?

Neben dem Hautton gibt es noch ein anderes großes Thema, bei dem in Handarbeitsgruppen schnell klar wird, dass mit „alle sind willkommen“ doch nicht so richtig alle gemeint sind.

Immer wieder stolpere ich über Beiträge von Menschen, die stolz ihre fertigen Häkelprojekte vorführen - es geht hier insbesondere um Dinge, die man am Körper trägt, also Kleidung oder Accessoires.

Wenn dann diese Person nicht dem gängigen Schönheitsideal von „dünn“ entspricht

und die Kommentarfunktion ausgeschaltet ist

bedeutet das in einer großen Facebook Gruppe oft, dass jemand in den Kommentaren gegen die Gruppenregel verstoßen hat.

Regeln wie „Kritik bitte sachlich, keine Beleidigungen“.

„Also mit deiner Figur würde ich sowas aber nicht anziehen” ist da manchmal zu lesen, bevor es von den Administrator:innen gelöscht wird, „da musst du aber noch was drüberziehen“ oder “wie kann man nur so rumlaufen”. Und das sind noch die netteren.

Warum ist das ein Problem?

Die “Hautfarbe” einer Puppe ist also automatisch hellrosa?

Jede:r, der in einer Facebookgruppe ein Bild sieht, darf der abgebildeten Person, die sich über den erfolgreichen Abschluss eines Häkelprojektes freut, um die Ohren hauen, dass diese dem gängigen (und übrigens von der Schönheitsindustrie befeuerten) Schönheitsideal nicht entspricht oder einzelne Leser:innen so etwas nie anziehen würden?

Ich bin an manchen Tagen echt am Verzweifeln, dass wir solche Diskussionen immer noch führen.

Wenn du ausschließlich Menschen kennst, die hellrosa Haut haben, hast du ein Problem.

Einen Bikini oder ein Crop Top darf nur tragen, wer deinen Vorstellungen von einer “guten” Figur entspricht?

Du findest Ponchos hässlich und deshalb darf die jetzt niemand mehr tragen?

Sorry, aber so kann das nicht weitergehen.

Menschen, die ihren liebsten Zeitvertreib mit uns teilen wollen, die ihr Glück teilen wollen, werden in Handarbeitsgruppen beleidigt, weil sie anders aussehen? Weil sie mehrgewichtig sind? Weil sie etwas posten, was nicht alle gut finden?

Jede:r weiß doch selbst, wie er oder sie aussieht.

Jede:r darf super stolz auf fertige Häkelprojekte sein, das ist doch gerade das Schöne am Handarbeiten. Erlaubt ist, was gefällt, und zwar was der Person selber gefällt.

Was ist denn aus der Regel geworden, wenn du nichts Nettes zu sagen hast, sag gar nichts?

Wenns dir nicht gefällt, scroll halt weiter.

Durch solche Kommentare werden Betroffene oder Menschen, die Angst haben, selbst auch solche Kommentare zu bekommen davon abgehalten, sich und ihr liebstes Hobby zu zeigen.

Damit machen wir viele Menschen faktisch unsichtbar und geben ihnen das Gefühl, eben nicht dazuzugehören. Und damit bin ich absolut nicht einverstanden.

Das Internet - Raum frei von guten Manieren?

Ich weiß nicht, ob es an der vermeintlichen Anonymität im Internet liegt, aber die physische Abwesenheit von anderen Menschen (ich beobachte das auch in E-Mails und am Telefon) scheint die Hemmschwelle, für fehlenden Respekt und Unhöflichkeit drastisch zu senken.

Wieviele würden auf offener Straße zu einer fremden Person hingehen und Sachen sagen wie “Ihr T-Shirt sieht echt Scheiße aus, sie sollten sowas mit Ihrer Figur nicht anziehen!”?

Eher weniger.

Aber im Internet kann mans ja machen?

Ich finde nicht!

Das Internet ist kein rechtsfreier Raum und vor allem aber kein Raum, in dem man Höflichkeit und die grundlegenden Regeln des Zusammenlebens vergessen sollte.

So kann das auf Dauer nicht funktionieren.

Gerade im letzten Jahr haben wir alle sehr viel mehr Zeit als üblich zu Hause verbracht, haben gelernt, mit Zoom und Skype und Chatfunktionen umzugehen und sich stummzuschalten.

Was manche noch immer nicht gelernt haben: Erst nachdenken, dann kommentieren.

Ich betrachte das Internet und seine Möglichkeiten, mit Handarbeitsfreund:innen auf der ganzen Welt, auf jedem Level und mit allen erdenklichen Geschmäckern in Kontakt zu treten als ein wunderbares Geschenk. Lasst uns das nicht kaputt machen.

Was können wir tun?

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut in einer demokratischen Gesellschaft.

Doch entgegen der landläuftigen Ansicht, dass das beinhaltet, jedem jederzeit alles sagen zu dürfen, was einem grade so in den Sinn kommt, geht es bei Meinungsfreiheit um ein Grundrecht, also um ein Recht, dass der Bürger gegenüber dem Staat hat.

Nicht darum, dass sich eine Privatperson im Internet anpöbeln lassen muss.

Die Handarbeitswelt ist für mich mein happy place.

Viele von uns Häkeln oder Stricken, um an einem stressigen Tag abzuschalten. Um mal den Kopf frei zu kriegen von dem ganzen Mist, der sich grade auf der Welt und/oder im eigenen Leben abspielt.

Häkeln macht glücklich.

Dann sollte das Teilen von Häkelprojekten nicht unglücklich machen.

Die Häkelcommnity sieht sich selber gerne als eine inklusive Gruppe, in der alle willkommen sind.

Dann müssen wir alle aber aktiv daran mitarbeiten, dass noch den Letzten klar wird, dass “alle” eben wirklich alle sind.

Egal, woher sie kommen.

Egal, wie sie aussehen.

Egal, wie groß oder schwer sie sind.

Jeder, also auch du und ich, müssen aktiv mithelfen, die, die es immer noch nicht kapiert haben, darauf hinzuweisen, wenn sie andere ausgrenzen.

Fordere andere Nutzer auf, sachlich und höflich zu kommentieren.

Melde Kommentare, die beleidigen (das verstößt meistens auch gegen die Gruppenregeln).

Denke darüber nach, ob das, was du da schreiben willst, konstruktive Kritik ist, die der Person helfen wird, ihre Häkelkünste zu verbessern und ob du das dieser fremden Person auch persönlich so sagen würdest.

Und lass uns den Fokus auf die positiven Dinge legen.

Verteile Herzchen, Daumen nach oben und freundliche Kommentare, wenn dir etwas gefällt. Dann zeigt dir der Algorythmus in Zukunft auch mehr davon.

Denn nur so kann die Handarbeitswelt für alle ein happy place werden.

Ich freu mich, deine Meinung dazu in den Kommentaren zu lesen.

Fröhliches Häkeln und freundliches Kommentieren

deine Susi